Wenn in der 5. oder 6. Klasse die Entscheidung für die zweite Fremdsprache ansteht, stehen viele Eltern vor einer wichtigen Frage: Soll mein Kind Französisch oder Latein lernen? Beide Sprachen haben ihren ganz eigenen Reiz – aber auch unterschiedliche Anforderungen und Lernwege. Dieser Artikel hilft Dir dabei, zu verstehen, welche Sprache besser zu Deinem Kind passt.
Wie der Unterricht aussieht
Französisch ist eine lebendige Sprache. Schon früh wird im Unterricht auf Französisch gesprochen, auch wenn schwierige Erklärungen – etwa zur Grammatik – anfangs noch auf Deutsch erfolgen. Dein Kind lernt, sich aktiv auszudrücken, zuzuhören, zu lesen und zu schreiben. Das Ziel ist ganz klar: Kommunikation.
Im Laufe der Jahre begegnet es dabei französischer Musik, Comics, Filmen, Alltagskultur und sogar politischen Themen. Französischunterricht öffnet also das Tor zu einer modernen europäischen Kultur – und macht Lust auf Austausch.
Latein dagegen ist keine gesprochene Sprache. Der Unterricht findet auf Deutsch statt, Dein Kind übersetzt Texte aus dem Lateinischen und setzt sich intensiv mit Sprache und Inhalt auseinander. Es geht weniger ums Sprechen, sondern darum, Texte zu verstehen, zu analysieren und ins Deutsche zu übertragen. Dabei gewinnt Dein Kind Einblicke in die Welt der Antike – in Geschichte, Politik, Philosophie und Mythologie.
Ziele des Unterrichts
Französisch: Dein Kind lernt, sich in einer echten Fremdsprache sicher zu verständigen. Es baut Wortschatz und Grammatik auf, um Gespräche zu führen und französische Texte zu verstehen. Nebenbei entstehen interkulturelle Kompetenzen – ein wichtiger Schlüssel für Europa.
Latein: Hier steht das Verständnis von Sprache und Struktur im Vordergrund. Latein fördert das analytische Denken, die Genauigkeit und das Sprachgefühl. Viele Schüler merken später, dass sie durch Latein auch in Deutsch und Englisch besser werden – weil sie gelernt haben, wie Sprache „funktioniert“.
Voraussetzungen und Lerntyp
Für Französisch braucht Dein Kind Freude am Sprechen, eine gewisse Offenheit und Lust, Neues auszuprobieren. Grammatik und Vokabeln müssen regelmäßig gelernt werden, aber auch das Miteinander im Unterricht spielt eine große Rolle. Kinder, die gerne kommunizieren und kreativ mit Sprache umgehen, fühlen sich hier wohl.
Für Latein ist eher das ruhige, konzentrierte Arbeiten gefragt. Gute Deutschkenntnisse und logisches Denken helfen sehr. Das Lernen ist systematisch: Grammatik, Vokabeln, Übersetzungen. Kinder, die gerne knobeln, Strukturen erkennen und sorgfältig arbeiten, können in Latein aufblühen – selbst, wenn sie ungern frei sprechen.
Arbeitshaltung und Lernverhalten
In Französisch baut das Lernen stark aufeinander auf. Wer regelmäßig übt, wiederholt und sich aktiv beteiligt, wird schnell Fortschritte sehen. Längere Pausen oder Lücken dagegen sind schwer aufzuholen.
In Latein gilt das gleiche Prinzip: tägliches Üben und Wiederholen sind entscheidend. Das Übersetzen erfordert Konzentration, Geduld und Genauigkeit – eine echte Schule für das Denken.
Rolle der Grammatik
In Französisch ist Grammatik ein Hilfsmittel, um sinnvoll und verständlich kommunizieren zu können. Dein Kind vergleicht grammatische Strukturen mit dem Deutschen und dem Englischen. Im Mittelpunkt steht aber die Anwendung in den sprachlichen Äußerungen.
In Latein steht Grammatik im Mittelpunkt: Nur wer versteht, wie ein Satz aufgebaut ist, kann ihn richtig übersetzen. Das Ziel ist immer das Verständnis des Inhaltes der Texte, weil diese übersetzt werden müssen. Und das Übersetzen beinhaltet demzufolge immer ein Nachdenken über grammatische Strukturen. Das Nachdenken über Sprache schärft dabei das logische Denken – und wirkt sich oft positiv auf andere Fächer aus
Rolle des Mündlichen
In Französisch nimmt der mündliche Teil eine wichtige Rolle ein. Vergleichbar mit dem Englischen spricht und hört Dein Kind die Fremdsprache. In zwei Jahrgangsstufen wird eine Schulaufgabe mündlich durchgeführt. Vokabeln, Satzstrukturen und Lektionstexte müssen zu Hause auch mündlich geübt werden.
Latein ist keine Kommunikationssprache! Dein Kind spricht nur beim mündlichen Übersetzen oder beim Austausch über den Inhalt der Texte. Der Austausch zu Themen der römischen Gesellschaft, Geschichte, Mythologie und Kultur erfolgt auf Deutsch.
Themen und Ihnalte
Französisch führt in die heutige Welt: Lieder, Filme, Jugendthemen, Politik, Kultur – es ist immer etwas Aktuelles dabei.
Latein dagegen blickt zurück: ins alte Rom, zu Philosophen, Politikern, Dichtern. Wer sich für Geschichte und Antike interessiert, findet hier faszinierende Parallelen zu unserer Zeit.
Vorteile beider Sprachen
Französisch
- Ähnlich aufgebaut wie Englisch, dadurch oft vertrauter.
- Praktisch anwendbar auf Reisen und im Beruf.
- Viele Motivationsquellen: Musik, Serien, Mode, Essen, Austauschprogramme.
- Eine Sprache der Diplomatie, Kultur und Romantik.
Latein
- Logisch, klar strukturiert und fast lautgetreu lesbar.
- Keine mündlichen Prüfungen oder spontanen Gespräche.
- Ideal für ruhige, analytische Kinder.
- Grundlage für viele moderne Sprachen (Französisch, Spanisch, Italienisch).
- Unterstützt das Verständnis komplexer Texte – auch in Deutsch und Englisch.
Außerschulische Möglichkeiten
Französisch eröffnet viele Türen: Schüleraustausche, Sprachfahrten, DELF-Sprachzertifikate und spannende Projekttage. Kinder erleben, wie nützlich und lebendig Französisch sein kann.
Latein bietet weniger direkte Alltagserlebnisse, dafür kulturelle Tiefe: Projekttage wie der Dies Latinus, Wettbewerbe und Exkursionen zu antiken Themen lassen die Sprache auf ihre eigene Weise lebendig werden.
Empfehlung bei Legasthenie
Ein wertvoller Hinweis kam vom Schulpsychologen an der Schule meiner Tochter, der auch Kinder mit Legasthenie betreute. Er empfahl den Eltern dieser Kinder ausdrücklich, Latein als zweite Fremdsprache zu wählen. Seine Begründung: Latein wird so ausgesprochen, wie es geschrieben wird.
Für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche kann das ein großer Vorteil sein, weil sie sich nicht zusätzlich mit den komplexen Laut-Buchstaben-Regeln einer lebenden Fremdsprache auseinandersetzen müssen.
Im Französischen dagegen werden viele Wörter anders geschrieben, als sie gesprochen werden – das kann für Kinder mit Legasthenie eine zusätzliche Schwierigkeit darstellen.
Der strukturierte Aufbau, die klare Grammatik und die Regelmäßigkeit des Lateinischen helfen diesen Kindern oft, Sprache systematischer zu verstehen – und das ganz ohne den Druck, spontan sprechen zu müssen.
Allerdings möchte ich einschränkend hinzufügen, dass ein anderer Schulpsychologe an einer anderen Schule diese Einschätzung nicht teilte. Er betonte, dass die Entscheidung für eine Sprache immer vom individuellen Lerntyp des Kindes abhängen sollte. Jedes Kind bringe eigene Stärken mit – und die sollten bei der Sprachenwahl im Vordergrund stehen.
Tipps zur Entscheidung
- Achte auf die Interessen und Stärken Deines Kindes, nicht auf die Wahl der Freunde.
- Wenn Dein Kind gerne redet, andere Sprachen mag und offen auf Menschen zugeht, ist Französisch oft die bessere Wahl.
- Wenn es lieber ruhig arbeitet, tüftelt, logische Zusammenhänge liebt und sich sprachlich präzise ausdrücken möchte, kann Latein die richtige Entscheidung sein.
- Sprich mit den Englisch- oder Deutschlehrern – sie können gut einschätzen, welche Sprache Deinem Kind eher liegt.
- Und ganz wichtig: Es gibt keine falsche Wahl – beide Wege führen zu wertvollen Fähigkeiten.
Fazit: Zwei Sprachen, zwei Wege – beide bereichernd
Französisch bringt Dein Kind in Kontakt mit der modernen Welt, mit anderen Menschen, mit Kultur und Austausch. Latein dagegen stärkt das Denken, die Genauigkeit und das Verständnis für Sprache selbst.
Welche Sprache besser passt, hängt davon ab, wie Dein Kind lernt, denkt und fühlt. Wenn Du seine Stärken kennst, kannst Du ihm helfen, eine Wahl zu treffen, die sich langfristig gut anfühlt.
FAQ – Die häufigsten Fragen zusammengefasst
Welche Sprache ist für Kinder mit Legasthenie besser geeignet?
Einige Schulpsychologen empfehlen Latein, weil es lautgetreu ausgesprochen wird und dadurch für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche leichter zu erfassen ist. Im Französischen unterscheiden sich Schriftbild und Aussprache oft stark, was zusätzlichen Lernaufwand bedeuten kann. Letztlich sollte die Entscheidung aber immer am individuellen Lerntyp des Kindes ausgerichtet sein.
Hilft Latein beim Lernen anderer Sprachen?
Ja, Latein legt eine solide Basis für viele romanische Sprachen wie Französisch, Spanisch oder Italienisch. Kinder entwickeln ein gutes Verständnis für Sprachstrukturen und Grammatik, was ihnen auch in Deutsch und Englisch zugutekommt.
Wann ist Französisch die bessere Wahl?
Wenn Dein Kind kommunikativ ist, Spaß am Sprechen hat und gerne mit anderen interagiert, ist Französisch oft die bessere Wahl. Die Sprache wird aktiv verwendet – im Unterricht, in Austauschprogrammen oder im Urlaub. Sie eröffnet kulturelle und berufliche Chancen in vielen Ländern.
Wann ist Latein die bessere Wahl?
Latein passt gut zu Kindern, die ruhig, genau und strukturiert arbeiten. Wer gerne tüftelt, logisch denkt und Freude an Sprache hat, kann hier besonders erfolgreich sein. Latein stärkt Konzentration und analytisches Denken.
Kann man später noch von Latein zu Französisch wechseln?
Ein Wechsel ist grundsätzlich möglich, hängt aber von der Schule und dem Zeitpunkt ab. In der Regel kann Französisch später als dritte Fremdsprache gewählt werden. Der Einstieg fällt dann oft leichter, weil Latein bereits ein gutes Sprachverständnis vermittelt.
Welche Rolle spielt die Meinung der Lehrer bei der Sprachenwahl?
Lehrer können eine wertvolle Einschätzung geben – besonders die Deutsch- und Englischlehrer. Sie sehen, wie Dein Kind lernt, denkt und kommuniziert. Ihre Erfahrung kann helfen, eine Sprache zu wählen, die den Stärken Deines Kindes entspricht.
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