Was ist Legasthenie?
Legasthenie wird auch als Lese- / Rechtschreibstörung – abgekürzt LRS – bezeichnet. Die LRS wird definiert als eine langfristige Störung der Lese- und Schreibfähigkeiten. Die auffällige Abweichung der Lese- und Rechtschreibleistungen Deines Kindes im Vergleich zu anderen gleichaltrigen Kindern ist charakteristisch für Legasthenie.
Eine umschriebene Lese- und Rechtschreibstörung ist vorhanden, wenn anhaltende und eindeutige Schwächen im Bereich der Lese- und Rechtschreibung nicht auf das Entwicklungsalter, eine unterdurchschnittliche Intelligenz, fehlende Beschulung, psychische Erkrankungen oder Hirnschädigungen zurückzuführen sind laut Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie.
Zwischen 4% und 5% der Kinder in Deutschland sind Legastheniker (vgl. Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP)). Darunter sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.
Unterschied zwischen Legasthenie und allgemeiner Lese- und Rechtschreibschwäche
Legasthenie wird sehr häufig vererbt. Das heißt, oftmals leiden noch andere Familienmitglieder unter der Lese- und Rechtschreibstörung. Weiter sind bei einer Legasthenie Fähigkeiten des Gehirns vermindert visuelle und auditive Informationen wahrzunehmen und zu verarbeiten.
Ein weiterer Unterschied besteht in der voraussichtlichen Dauer der Problematik. Eine allgemeine Lese- und Rechtschreibschwäche kann voraussichtlich schneller verbessert bzw. ganz überwunden werden als die Legasthenie.
Im englischen Sprachraum wird nicht unterschieden zwischen einer allgemeinen Lese- und Rechtschreibschwäche und einer Lese- und Rechtschreibstörung.
Die Lese- und Rechtschreibschwäche
Eine Lese- und Rechtschreibschwäche kann vorliegen wenn
- Durch Unterrichtsausfall das Stoffpensum nicht vermittelt werden konnte
- Die familiäre Situation schwierig ist
- Der Fernsehkonsum erhöht ist
- Neurologische, psychische Störungen vorliegen
- Aufmerksamkeits- oder motorische Störungen vorliegen
- Hör- oder Sehvermögen verringert ist
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Wie kann ich herausfinden, ob mein Kind Legastheniker ist?
Die Symptome für Legasthenie sind bei jedem Kind unterschiedlich. Einige Auffälligkeiten möchte ich hier jedoch aufführen:
Auffälligkeiten beim Lesen
- Stockendes Lesen
- Buchstabierendes Lesen
- Auslassen von Wörtern und / oder Buchstaben beim Lesen
- Vertauschen von Buchstaben
- Dein Kind versteht oft den Sinn des Gelesenen nicht
- Silbenzerlegung macht große Schwierigkeiten
- Dein Kind verwechselt optisch ähnliche Buchstaben (p-q, m-w-v, b-d)
Auffälligkeiten beim Schreiben
- Vertauschen von Buchstaben
- Extrem viele Rechtschreibfehler
- Dein Kind kann die Reihenfolge der Buchstaben oft nicht einhalten. Zum Beispiel „Buam“ statt „Baum“ oder „Stuab“ statt „Staub“
- Die Schriftgröße innerhalb eines Textes variiert oft sehr stark
Wenn Dir auffällt, dass Dein Kind viele der oben genannten Schwierigkeiten hat, dann solltest Du einen Test machen lassen. Das gibt Euch Klarheit und Ihr könnt dann mit der Schule die weitere Vorgehensweise besprechen.
Wo lasse ich mein Kind testen?
Bevor Du Dein Kind auf Legasthenie testen lässt, solltest Du mit ihm zum Augenarzt und zum Hals-Nasen-Ohren Arzt gehen. Es kann sein, dass Dein Kind schlecht sieht oder schlecht hört. In solchen Fällen fällt ihm das Lesen- und Schreiben lernen extrem schwer. Dann kann es leicht zu Verwechslungen mit einer Legasthenie kommen.
Auf eine Lese- und Rechtschreibstörung testet ein
- Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder
- Kinder- und Jugendpsychotherapeut oder
- Psychologischer Psychotherapeut
- Sozialpädiatrisches Zentrum
Bei diesen Ärzten kannst Du Dein Kind auf Legasthenie testen lassen.
Das ist vor allem dann notwendig, wenn Du in der Schule einen Nachteilsausgleich beantragen möchtest. Auch wenn ein Förderunterricht auf Dein Kind zugeschnitten werden soll, dann solltest Du eine genaue Diagnose bereit haben.
Eine Hilfestellung kann Dir auch der folgende Ratgeber geben.
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Die Diagnose
Die Tests, die durchgeführt werden, um Legasthenie festzustellen, sind sehr unterschiedlich. Es werden unterschiedliche Testverfahren, Diagnosekriterien und Vorgehensweisen angewandt. So kommt es häufig vor, dass ein Kind beim einen Arzt als nur „schwach“ in der Lese- und Rechtschreibleistung eingestuft wird. Ein anderer Arzt diagnostiziert dasselbe Kind als Legastheniker.
Die S-3 Leitlinie des Klinikums der Universität München hat folgende Kriterien zur Diagnose von Legasthenie festgelegt:
Zur Diagnose einer Lesestörung:
- Lesegeschwindigkeits- und Verständnistest für die Klassen 6-12 (LGVT-R 5-13)
- Lesetestbatterie für die Klassenstufen 6 -7 (Lesen 6-7)
- Lesetestbatterie für die Klassenstufen 8 – 9 (Lesen 8-9)
- Würzburger Leise Leseprobe – Revision (WLLP-R)
- Deutscher Rechtschreibtest für das erste und zweite Schuljahr (DERET 1-2+)
- Deutscher Rechtschreibtest für das dritte und vierte Schuljahr (DERET 3-4+)
- Hamburger Schreib-Probe 1-10 (HSP 1-10)
- Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT II) – Lesetest für die 2. 3. und 4. Klasse
Zur Diagnose einer Rechtschreibstörung:
- Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT II) Rechtschreibtest
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für 1. und 2. Klassen (WRT 1+)
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für 2. und 3. Klassen (WRT 2+)
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für dritte und vierte Klassen (WRT 3+)
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für vierte und fünfte Klassen der Grund- und Hauptschule (WRT 4+)
- Aus Ermangelung an Alternativen sollte für die Altersgruppe der Jugendlichen ab der 11. Klasse der RST-ARR angewendet werden (KKP).
Was wird untersucht? 15 Punkte, die beim Legasthenie Test untersucht werden
Laut Bundesverband für Legasthenie & Dyskalkulie werden drei Bereiche untersucht.
Die Schulleistung und der Lernstand
1. Schulbericht und Leistungsstand, individuelle Lernentwicklung sowie Noten und Leistungen in weiteren Schulfächern
2. Lese-Probe: Leseverständnis, -Geschwindigkeit und Lesegenauigkeit
3. Rechtschreibung
4. Intelligenzdiagnostik, möglichst sprachfrei
Die Gesamtentwicklung und Folgeprobleme
5. Sprachliche und motorische Entwicklung
6. Seh- und Hörleistung
7. Aufmerksamkeit und Konzentration
8. Sozialverhalten
9. Seelische Belastung
10. Psychosomatische Beschwerden (etwa Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit)
Rahmenbedingungen und äußere Faktoren
11. Art der Schule und Qualität des Unterrichts
12. Häufigkeit Klassen- und/oder Schulwechsel
13. Schulische Motivation
14. Bereits erfolgte Fördermaßnahmen
15. Familiäre Situation
Wenn die Lese- und Rechtschreibleistungen Deines Kindes auffällig von den Leistungen anderer gleichaltriger Kinder abweichen, dann ist das charakteristisch für Legasthenie.
Dein Kind sollte unbedingt alleine untersucht werden und nicht in einer Gruppe. Auch sollte sich der Arzt ausreichend Zeit für Dein Kind nehmen, um somit eine entspannte Testsituation zu ermöglichen. Bestehe auch unbedingt auf einen ausführlichen Befundbericht. Hier sollte der Arzt mit Dir alle wichtigen Ergebnisse besprechen und Dir eventuell auch einen Förderplan vorschlagen.
Wie finde ich die richtige Therapie?
Es existieren in Deutschland eine Menge unüberschaubarer Therapie-Angebote mit fragwürdigen Behandlungsmethoden. Deren Wirksamkeit ist zum Teil umstritten und die Untersuchungsergebnisse werden teilweise nicht beachtet. Darunter fallen zum Beispiel Angebote wie: ein Training der Tondiskrimination und der Blickbewegung, eine medikamentöse Behandlung, der Einsatz von farbigen Folien oder auch Bewegungstrainings.
Die richtige Therapie für Dein Kind sollte auf den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen der pädagogischen, psychologischen und medizinischen Forschung basieren. Diese aktuellen Methoden
- setzen an den verschiedenen Entwicklungsschritten des Schriftspracherwerbs an und
- fördern auch die psychische Entwicklung Deines Kindes in der Schule und der Familie.
Damit Du die richtige Therapie für Dein Kind findest, solltest Du auf Folgendes achten:
Für die Therapie einer Legasthenie gibt es keine klar definierte Ausbildung. Das macht die Suche nach einem geeigneten Therapeuten für Dein Kind schwierig. Der Bundesverband für Legasthenie & Dyskalkulie hat Standards für Therapeuten entwickelt. Wenn ein Therapeut eine Weiterbildung nach diesen Standards absolviert hat dann erhält er das Zertifikat „Dyslexie-Therapeut nach BVL“®. Auf die Suche nach diesen Therapeuten kannst Du auf der Website des BVL gehen.
Kann Legasthenie geheilt werden?
Wenn Du die Lese- / Rechtschreibschwäche oder auch die Legasthenie Deines Kindes frühzeitig erkennst, dann besteht eine große Chance, dass sich eine enorme Verbesserung einstellt. Eine komplette Heilung kann es bei Legasthenie nicht geben. Allerdings kann Dein Kind viel erreichen mit der geeigneten Förderung. Selbst als Erwachsener wird ein Legastheniker noch mehr Fehler bei der Rechtschreibung machen als andere.
Ein praktisches Hilfsmittel zum besser Lesen ist der Lesestreifen.
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Mit dem Lesestreifen kann Dein Kind besser die Zeile halten. Und es findet die nächste Zeile auch gut damit. Den Lesestreifen kannst du selbst basteln. Er ist somit eine preisgünstige Hilfe, die Du Deinem Kind schnell anbieten kannst. Bei Amazon gibt es auch Lesestreifen, falls Du zum Basteln nicht die Zeit hast.
Wie wird die Legasthenie behandelt?
Die S-3 Leitlinie der LMU führt folgende Behandlungen bei Legasthenie auf:
Wie lange dauert eine Therapie?
Eine Therapie bei Legasthenie sollte mindestens 1,5 – 2 Jahre dauern. Eine Therapie kann auch länger andauern, da die Anforderungen mit dem Alter Deines Kindes steigen. Somit muss ständig ein Rückstand aufgeholt werden. Und da Legastheniker mehr Zeit brauchen, um Texte zu lesen und zu verstehen, dauert der Lernprozess einfach länger.
Empfehlungen für Übungsmaterial*
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clara grün meint
Vielen Dank für den Beitrag. Sehr interessant ist für mich, dass eine LRS häufig vererbt wird. Ich habe selbst auch eine LRS und bei meiner Tochter wurde nun auch eine LRS diagnostiziert. Sie bekommt jetzt zum Glück Hilfe bei ihrer Rechtschreibschwäche und kommt gut in der Schule mit.
Helena meint
Meine Verwandte haben den Sohn mit dieser langfristigen Störung, wobei der Junge richtige Probleme mit Schreiben und Lesen hat. Gott sei dank, kann man die Legasthenie wenigstens fördern, damit die Krankheit sich auch weiter nicht entwickelt. Ich wusste nicht, dass sie vererbt sein kann. Danke für den Beitrag zum Thema LRS!